Was macht ChatGPT mit der Philosophie?

Versuch einer kritischen Einordnung

Was macht ChatGPT mit der Philosophie?

Versuch einer kritischen Einordnung

29.8.24
Paul Stephan
Zu Nietzsches Todestag führte Paul Stephan auf diesem Blog ein ausführliches Interview mit dem Programm ChatGPT, um die Leistungsfähigkeit des Programms zu testen, wenn es um tiefschürfende philosophische Fragen geht (Link). Es folgt eine kritische Reflexion dieses Experiments. Die Bilder zu diesem Interview wurden, sofern nicht anders gekennzeichnet, mit der Software DeepAI erstellt. Die Anweisung zum Artikelbild lautete „Nietzsche and ChatGPT“, die zu den Bildern im Artikel „ChatGPT talks about Nietzsche“.

Zu Nietzsches Todestag führte Paul Stephan auf diesem Blog ein ausführliches Interview mit dem Programm ChatGPT, um die Leistungsfähigkeit des Programms zu testen, wenn es um tiefschürfende philosophische Fragen geht (Link). Es folgt eine kritische Reflexion dieses Experiments.

Die Bilder zu diesem Interview wurden, sofern nicht anders gekennzeichnet, mit der Software DeepAI erstellt. Die Anweisung zum Artikelbild lautete „Nietzsche and ChatGPT“, die zu den Bildern im Artikel „ChatGPT talks about Nietzsche“.

„Die Presse, die Maschine, die Eisenbahn, der Telegraph sind Prämissen, deren tausendjährige Conclusion noch Niemand zu ziehen gewagt hat.“1

I. Eine ungewöhnliche „Begegnung“

Was passiert, wenn man ChatGPT einfach mal zu Nietzsche interviewt? Das wollte ich für diesen Blog herausfinden. Es entstand ein Dialog, der amüsiert angesichts der dummen Fehler, die dem Programm teilweise unterlaufen, aber auch verstört, wenn man bedenkt, dass die von der Software produzierten Antworten mitunter relativ treffend sind. Es zeigt sich schnell: Wenn es darum geht, stereotyp formulierte Texte, gefüttert mit undurchdachtem Wikipedia-Wissen, zu verfassen, ist ChatGPT ziemlich gut, sieht man von dem einen oder anderen groben Schnitzer einmal ab. Ich habe mich von dem Programm tatsächlich ein wenig herausgefordert gefühlt, zu zeigen, dass ich ihm als menschlicher Autor, der jahrelang über die besprochenen Themen nachgedacht hat, überlegen bin. – Ob mir das gelungen ist, mag der Leser selbst beantworten.

Die von mir für diese beiden Artikel erzeugten Bilder geben die Grundstimmung, in die mich die Auseinandersetzung mit den neusten KI-Programmen versetzt, recht gut wieder: Es handelt sich um auf den ersten Blick handwerklich fast zu perfekte Bilder, die alle ein wenig an Nietzsche bzw. bekannte Photographien von ihm erinnern. Sie könnten einem, der nicht allzu genau hinsieht und die zahlreichen Fehler im Detail übersieht – und natürlich mit Nietzsches echtem Gesicht nicht vertraut ist –, glatt als Aufnahmen des Philosophen untergejubelt werden. Besonders unheimlich wird es, wenn man sich die Bilder sehr genau betrachtet und sich fragt, was diese „Nietzsches“ eigentlich anschauen …

Insofern „Entwarnung“: Zu wirklich kreativen Gedanken ist ChatGPT noch immer nicht fähig. Alles, was man serviert bekommt, ist ein fader Eintopf aus Binsenweisheiten und Gemeinplätzen. Angesichts der zahlreichen sachlichen Fehler und der großen Probleme, die das Programm offensichtlich im Umgang mit Sekundärliteratur hat, würde ich seine Verwendung noch nicht einmal für Schulaufsätze, geschweige denn universitäre Hausarbeiten, empfehlen. Man kann sich noch nicht einmal sicher sein, dass ein orthographisch und grammatikalisch korrekter Text ausgespuckt wird. Ohne kritische Prüfung sind diese Texte jedenfalls nicht zu gebrauchen. Für ernsthafte Autoren könnte sich ChatGPT vielleicht als Recherchewerkzeug einsetzen lassen, um herauszufinden, was die Durchschnittsmeinung zu einem Thema ist. Also das, was man genau nicht schreiben und welche Floskeln man unbedingt vermeiden sollte. Die neue Konkurrenz könnte zumal als Ansporn dienen: Echte Autoren müssen sich nun mehr Mühe geben, um sich von der KI-erzeugten Massenware abzuheben.

II. Mensch und Maschine als künstlerisches Gespann

Rasmus Malling-Hansens Schreibkugel aus dem Besitz Friedrich Nietzsches (Bildquelle)

So oder so gilt es, den mitunter etwas erhitzt geführten Diskurs zur neusten KI ein wenig zu beruhigen. Man sollte sie weder als übertriebene Bedrohung noch als Heilsbringer ansehen, sondern als Werkzeug, das, was Gebrauchstexte angeht, durchaus nützlich sein und, was komplexere Anforderungen angeht, durchaus zur Inspiration dienen kann. Mit Nietzsche – der sich zwar noch nicht einmal die Existenz von Computern hätte ausmalen können, aber immerhin begeistert mit der damals völlig neuen Schreibmaschine experimentierte, um schließlich ernüchtert wieder zur Handschrift überzugehen2 – müsste man von einer nicht-ressentimenthaften Perspektive auf diese Neuerungen sprechen: An der Existenz dieser Programme können wir ohnehin nichts ändern, es geht nun darum, einen möglichst produktiven Umgang mit ihnen zu finden.

Vorreiterin ist dabei, wie so oft, die Kunst. Vom 25. April bis zum 12. Mai fand im Leo-Schwarz-Foyer des Gewandhauses in Leipzig die von Kati Liebert und Olga Vostretsova kuratierte Ausstellung Walk on the Carpet statt, bei der 13 Studierende der lokalen Hochschule für Grafik und Buchkunst ihre Arbeiten präsentierten. Gleich drei dieser sehr vielfältigen Arbeiten aus den unterschiedlichen künstlerischen Bereichen verwendeten offensiv Künstliche Intelligenz als Mittel des kreativen Prozesses.

Tobias Kurpat: FMB Op. 30: Andante Expressivo in G-Dur; Foto: Hyejeong Yoo; dank an den Künstler

Tobias Kurpat fütterte eine KI mit der Klaviermusik von Felix Mendelssohn Bartholdy, um daraus ein neues Stück zu schaffen, das man sich mit einem Kopfhörer anhören konnte. Bestandteile der Installation waren darüber hinaus die Partitur der neuen Komposition sowie ein 3D-Druck einer unnatürlichen verdrehten Hand, womöglich die eines Musikers. Diese Arbeit wirkte auf mich verstörend. Ich rechnete mit einer Komposition von Mendelssohn-Bartholdy. Es erwartete mich ein wildes, eher an einen Ragtime oder an Freejazz erinnerndes, Klanggebilde, das mich an meinen musikhistorischen Kenntnissen zweifeln ließ. Es war zwar nicht dissonant, aber es folgte auch keiner regelrechten musikalischen Struktur. Hatte sich der Komponist da einen Spaß erlaubt? Erst die Lektüre des Begleittextes, zu der ich mich dann doch genötigt sah, verschaffte Aufklärung. Komponieren im Stile eines bestimmten Komponisten gehört wohl (noch) nicht zu den Stärken der KI.

Susanne Kontny: Swap (Ausschnitt); Foto: Hyejeong Yoo; dank an Kati Liebert

Während Kurpats Arbeit für mich vor allem die Funktion hatte, die technischen Möglichkeiten KI-basierter Komposition vorzuführen, gingen zwei seiner Kommilitoninnen einen Schritt weiter und benutzten sie für Kunstwerke, deren Gegenstand nicht die KI selbst ist. Susanne Kontny verwendete ein KI-Tool, um Portraits der durchweg männlichen Kapellmeister des Gewandhauses zu feminisieren. Aus den Meistern wurden Meisterinnen. Diese Bilder manuell in ähnlicher täuschend echter Qualität zu erzeugen, hätte sicherlich einige Mühe bereitet. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob das Kunstwerk wirklich überzeugt, abgesehen davon, dass auf witzige Art die Möglichkeiten der KI demonstriert werden: Seine intendierte Aussage ist schnell durchschaut, die unzähligen Portraits dienen der bloßen Illustration einer politischen Anklage.

Einen anderen Weg ging Toni Braun, mit der ich auch ausführlich über den Prozess sprach, der hinter ihrer Installation Celestial Urging stand. Sie benutzte die KI zur Generierung eines überdimensionalen Portraits einer weiblichen Figur. Es war anscheinend nicht so einfach gewesen, die Anweisung so zu schreiben, dass auch das gewünschte Resultat entstand, und dann unter den vielen Vorschlägen des Programms genau die richtige Figur zu finden.

Toni Braun: Celestial Urging; Foto: Konrad Stöhr (Ausschnitt); dank an die Künstlerin

Auch Toni Braun ließ die KI aber nicht einfach walten, sondern verwendete als Vorlage ein Gemälde von Nathaniel Sichel, Die Bettlerin vom Pont des Arts. Das Resultat ist ähnlich verstörend wie die Nietzsche-Portraits, die ich für diesen Artikel erzeugt habe, und die Komposition im Stile von Mendelssohn Bartholdy. Auf den allerersten flüchtigen Blick hätte ich mich auch hier wieder von der KI foppen lassen. Doch bei näherer Betrachtung handelt es sich um eine recht „monströse“ Gestalt, die sich nur schwer labeln lässt, ein Hybrid, der unsere Sehgewohnheiten in Frage stellt – doch zugleich nicht nur das: Es bleibt doch der Eindruck einer selbstbewussten jungen Musikerin, die sich hier präsentiert. Die Ornamente, die das bedruckte Banner umrahmen, lassen vielfache Deutungen zu. Ist es vielleicht gar die nietzscheanische Vision einer „Überfrau“, die in ihrer Widersprüchlichkeit doch sich selbst bejaht und diese Bejahung nach außen strahlen lässt, selbst wenn ihr schwer definierbares Instrument kaum Töne erzeugen dürfte und ihre Gliedmaßen verkrüppelt sind? Der Stacheldraht scheint aber auch das Leiden anzudeuten, das zur Gewinnung einer solchen Identität erforderlich ist – oder handelt es sich um einen Schutzpanzer? Haben wir es vielleicht sogar eher mit einer Kriegerin als mit einer Künstlerin zu tun? Doch die Quasten, Borten und Glaslüstern deuten auch eine bewahrte Weiblichkeit an. Die Arbeit zeigt so, so scheint es mir, die komplexe Situation, in der (nicht nur) Frauen heute stehen, wenn sie sich „kriegerisch“ selbst behaupten und insofern um Härte bemühen und zugleich Weichheit und Kreativität bewahren möchten.

Die Melange von Kunst und KI kann also durchaus zu interessanten Werken führen, wenn man sich letzterer klug als Mittel bedient, um die Spielräume der eigenen Kreativität zu erweitern. Ein solches, zugleich verstörendes wie faszinierendes, „Monstrum“ wie das Hybridwesen der Installation von Toni Braun hätte auch die blühendste rein menschliche Phantasie wohl kaum gebären können – und zugleich hätte es ohne den menschlichen Input ebenso wenig entstehen können.

Vielleicht wäre ein solcher Umgang mit der KI auch für Textproduktion und die Philosophie beispielhaft? Man könnte ja beispielweise versuchen, ChatGPT in einen sokratischen Dialog zu verwickeln. Oder es Aphorismen verfassen lassen, von denen einige vielleicht interessant sind und ausgebaut werden können. Dass der kreative Prozess – egal, ob in der Kunst oder in der Philosophie – ohnehin in großem Maße kein reines Erfinden, sondern ein Finden und Arrangieren ist, lehrt nicht zuletzt Nietzsches eigene Praxis. In Menschliches, Allzumenschliches kritisiert er in diesem Sinne den Glauben an die plötzliche Inspiration als Ursprung des Kunstwerks: „Alle Großen waren grosse Arbeiter, unermüdlich nicht nur im Erfinden, sondern auch im Verwerfen, Sichten, Umgestalten, Ordnen.“3 Mit anderen Worten: Eine gelungene geistige Schöpfung ist immer auch ein Remix vorhandenen Materials – und genauso verfuhr auch Nietzsche beim Verfassen seiner Schriften. Er notierte unermüdlich eigene Einfälle, aber auch solche, die er beim Lesen der Texte anderer erhielt. Mitunter bedient er sich recht unbedarft einzelner Formulierungen anderer – natürlich ohne sie zu zitieren.4 „Talent borrows, genius steals“, lautet bekanntlich die Maxime Oscar Wildes, die auch als Aphorismus Nietzsches durchgehen könnte – und Zarathustra erklärt entsprechend: „[I]st Nehmen nicht seliger als Geben? Und Stehlen noch seliger als Nehmen?“5 – Wieso sich nicht entsprechend von der KI inspirieren und KI-generiertes Material in seine eigenen Werke oder Texte einfließen lassen? Ähnlich wie mit der Schreibmaschine hätte Nietzsche vermutlich recht unbefangen mit der Künstlichen Intelligenz experimentiert – auch wenn er sie vielleicht nach einigen Wochen als unbrauchbar bei Seite gelegt hätte. Ähnlich, wie es heute selbstverständlich ist, Google, Wikipedia oder Seiten wie nietzschesource.org oder The Nietzsche Channel als Hilfsmittel bei der eigenen Textproduktion zu gebrauchen.

III. Nachteile und Nebenwirkungen

Doch natürlich ist der Gebrauch von KI nicht unproblematisch. Zunächst einmal ist das Verfassen von Texten oder die Produktion von Kunstwerken ein Prozess, der einen Wert in sich trägt, ein Lern- und Erfahrungsprozess. Vor allem die Studierenden, die sich jetzt – wie meine eigene Erfahrung als Dozent leider bestätigt – vermehrt Künstlicher Intelligenz zur Erstellung ihrer Arbeiten bedienen, schaden sich damit am Ende vor allem selbst. Autoren und Künstler möchten ja nicht nur etwas hervorbringen, was eine Wirkung auf andere hat, sondern den Prozess der Schöpfung durchlaufen und an ihm wachsen. Und der Genuss des Rezipienten besteht umgekehrt darin, an diesem kreativen Prozess selbst durch seinen Nachvollzug teilzuhaben, selbst wenn er im Resultat nur noch vermittelt anwesend ist. Einen Roman, von dem man wüsste, dass er nicht das Ergebnis jahrelanger Mühen und die Verarbeitung persönlicher Erfahrungen ist, sondern in ein paar Stunden auf der Grundlage eines schnell zusammengeschriebenen Prompts entstand, wird man mit weniger Interesse lesen, sofern man ihn überhaupt lesen mag, selbst wenn die KI in ein paar Jahren in der Lage sein sollte, tiefschürfende Romane täuschend echt zu imitieren. Es bleibt eben doch ein Imitat. Ein authentisches Werk lebt davon, dass es ein Mensch war, der es schrieb und der in ihm etwas ausdrücken wollte.

Das schließt nicht aus, dass es in einigen Jahren sehr verbreitet sein könnte, Gebrauchstexte oder Gefälligkeitsbilder von Programmen generieren zu lassen. Doch dies wäre ja in der Tat eine Arbeitserleichterung und würde zeitliche Freiträume zur Produktion echter Werke schaffen. Vielleicht wird der Gebrauch von KI zu diesem Zwecke schon bald so gewöhnlich sein, wie es heute die Verwendung von Rechtschreibkontroll- oder Übersetzungsprogrammen ist. Selbst bei der Übersetzung komplexer philosophischer Werke ist es heute weit verbreitet, die „Grobarbeit“, die ohnehin wenig intellektuelle Leistungsfähigkeit erfordert, der Software zu übertragen, und den menschlichen Übersetzer nur den „Feinschliff“ erledigen zu lassen.

Um sich dieser Aussicht unaufgeregt zu nähern, ist es vielleicht hilfreich, das Beispiel des Schachspiels zu betrachten. Dieses Spiel kann von Computern schon längst erfolgreicher gespielt werden als von uns. Doch dieses Faktum hat der Begeisterung für es keinen Abbruch getan, im Gegenteil erlebt es gerade eine neue Welle der Popularität, angefacht durch soziale Medien und Onlineportale wie lichess.org und chess.com. Das „Spiel der Könige“ zu meistern gilt nach wie vor als Inbegriff menschlicher Kreativität und Intelligenz. Denn auch, wenn man einen fortgeschrittenen Schachcomputer als Mensch schon lange nicht mehr besiegen kann, liegt der Wert auch hier ja nicht einfach im Ergebnis, sondern im Spielen an sich. Einem Spiel zwischen zwei Schachcomputern beizuwohnen ist ebenso langweilig, wie einen Band KI-generierter Liebesgedichte zu lesen, wenn man sich nicht gerade für deren Leistungsfähigkeit interessiert. Doch im Spielen und in der Betrachtung anderer Spieler liegt ein Eigenwert, der sich von der KI niemals wird zerstören lassen. Schachspieler nutzen die neuen Möglichkeiten der Technik zugleich ganz unbefangen, um ihr Können zu trainieren, Partien zu analysieren und neue Strategien zu entwickeln. Auch hier ist die Software nur scheinbar eine Bedrohung und hilft in Wahrheit einfach nur dabei, die menschlichen Fähigkeiten zu vergrößern. Schachspielen kann ChatGPT im Übrigen nicht – es dennoch zu einer Partie herauszufordern, kann für einige Irritation und Erheiterung sorgen. Das ist zumindest ein schwacher Trost: Ausgerechnet der allerorten gehypte Superrechner scheitert kläglich an einer Aufgabe, für die Computer doch eigentlich prädestiniert zu sein scheinen.

Ohnehin sind Schachprogramme oder die neuen Algorithmen ja nur ein Ausdruck unserer eigenen Fähigkeiten. Die modernen KI-Systeme sind nur so gut, weil sie jahrelang mit von uns produzierten Daten gefüttert wurden. In ihnen spiegelt sich nur unsere eigene kollektive Kreativität und Intelligenz. Wir sollten keine Angst vor ihnen haben oder ihnen gegenüber gar in ein Gefühl der Minderwertigkeit verfallen, sondern eher stolz daraus sein, was wir als Gattung erreicht haben.

Doch genau dieser Umstand verweist auf ein anderes Problem: Die Ergebnisse der KI sind ein Zusammenspiel eines Programms und des Materials, mit dem es trainiert wurde. Doch Geld verdienen damit gegenwärtig nur die Unternehmen, die die Rechte am Code der Software besitzen, nicht die zahllosen Urheber des Übungsstoffs – und natürlich diejenigen, die sich der KI bedienen, um kommerzielle Produkte zu erzeugen. Die Urheber des Trainingsmaterials wurden und werden noch nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Das ist moralisch fragwürdig und ungerecht, es geht hier um eine echte Enteignung, die möglicherweise auch noch juristische Konsequenzen haben wird.

Diese Entwicklung spätestens macht es überfällig, neu über Möglichkeiten der angemessenen Entlohnung für Menschen nachzudenken, die ihre Werke offen zugänglich ins Internet stellen und ohne die das Internet als gewaltiger Katalysator kreativer und intellektueller Entwicklungen überhaupt nicht funktionieren würde. Diejenigen, die mit KI Geld verdienen, sollten zu einer Abgabe gezwungen werden, deren Einnahmen den Urhebern des verwendeten Inputmaterials zu Gute kommt.

IV. Schlusswort

Passend zum Thema dieses Textes möchte ich das Schlusswort ChatGPT selbst überlassen, das auf meine Bitte hin, einen Aphorismus im Stile Nietzsches zu verfassen, folgende Antwort gab, die zwar nicht messerscharf zu dem hier behandelten Thema passt, sich aber doch nur allzu leicht auf es anwenden lässt: „In den Abgründen der Seele tanzen die Schatten der Vergangenheit, doch nur der Mutige erkennt darin die Möglichkeiten des Morgenlichts.“

Fußnoten

1: Menschliches, Allzumenschliches II, Der Wanderer und sein Schatten, 278.

2: Vgl. diese Zusammenfassung auf der Website der Klassik Stiftung Weimar.

3: Menschliches, Allzumenschliches I, 115.

4: Das betrifft insbesondere den amerikanischen Essayisten Ralph Waldo Emerson, den Nietzsche intensiv und begeistert las und immer wieder einzelne Formulierungen und Gedanken von ihm entlieh, ihn in seinen veröffentlichten Schriften jedoch nur vereinzelt erwähnt.

5: Also sprach Zarathustra, Die Heimkehr.