Nietzsche POParts – Wer sind wir?
„Sind nicht Worte und Töne Regenbogen und Schein-Brücken zwischen Ewig-Geschiedenem?“, schreibt Nietzsche in Also sprach Zarathustra. Dieser Satz drückt eine wesentliche Funktion der Sprache aus: Trennendes zu verbinden. Es mögen nur „Schein-Brücken“ sein, „Regenbögen“, an deren Ende kein Goldtopf zu finden ist. Doch das ist für Nietzsche kein Gegenargument, hält er in derselben Passage doch fest: „Wie lieblich ist alles Reden und alle Lüge der Töne! Mit Tönen tanzt unsre Liebe auf bunten Regenbögen.“
Sprache – und auch Musik – haben die seltsame Kraft, das Unterschiedlichste zusammenzuführen. Diese Kraft ist heute, in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Fragmentierung, wichtiger denn je. Man hört sich kaum noch zu, an die Stelle des Austauschs der Argumente und Ideen tritt der Kampf um Weltbilder, den Nietzsche als „Geisterkrieg“ prophezeite. Und selbst die Musik als vielleicht universellste Form des menschlichen Ausdrucks stößt auf zunehmend taube Ohren. Musik und Sprache werden durch Lärm ersetzt, der, wie Nietzsche weiß, die Gedanken „mordet“ – vor allem, wenn sie „zärtlich“ sind, wenn sie auf Tuchfühlung mit dem „Leben“ selbst gehen. Denn im Lärm des Marktes geht nicht zuletzt eines verloren: Der Sinn für unsere Wirklichkeit, die Situation, in der wir uns befinden. Gegen das Spektakel, das uns vom Leben trennt, hilft nur ein realistisches Philosophieren, das nicht einfach das Gewohnte und Bekannte wiederholt, sondern Brücken zwischen uns und unserer Welt baut. Dann hört das Meinen auf und das Denken hebt an.
Selbst wenn auch wir möglicherweise nur „Schein-Brücken“ errichten können, wollen wir mit diesem Blog dieser Tendenz doch entgegentreten im Vertrauen auf die Verbindungen zwischen Mensch und Mensch und Mensch und Welt stiftende Macht der Sprache, des Begriffs und des Arguments. Es soll ein Forum des Austauschs sein; des Streits, aber auch des Zuhörens. Wir möchten Autorinnen und Autoren mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, verbunden über ihren gemeinsamen Bezug auf Nietzsche, einladen, ihre Gedanken zu teilen und sie zur Diskussion stellen. Jede und jeder ist dazu aufgerufen, an dem Austausch in der Kommentarspalte teilzuhaben. Wir richten uns, wie auch Nietzsches Hauptwerk, an „alle und keinen“. Wer könnte sich als Galionsfigur eines solchen Vorhabens besser eignen als der große Denker des Perspektivismus, der beständig dafür wirbt, sich neue Blickwinkel auf die Welt „einzuverleiben“ und die eigenen Vorurteile zu überwinden?
Es geht dabei um POP im Sinne von Popularität (ohne Anbiederung an den Zeitgeist) und Provokation (ohne billige Knalleffekte), aber auch um arts, insofern wir das Denken selbst als eine Form der Kunst verstehen, immer wieder künstlerische Themen behandeln und diesen Blog selbst künstlerisch gestalten. Pop-Philosophie trifft Philosophie-Pop. Es geht um die philosophische Durchdringung gesellschaftlich relevanter Themen mit und gegen Nietzsche in einer nichtakademischen Sprache.