Mit Nietzsche und Marx in die Erbstreitrunde
Über Jonas Čeikas How to Philosophize with a Hammer and Sickle
Mit Nietzsche und Marx in die Erbstreitrunde
Über Jonas Čeikas "How to Philosophize with a Hammer and Sickle"
Nietzsche ist immer wieder Gegenstand politischer Deutungsprojekte geworden, von links wie von rechts. Nietzsche und Marx wurden immer wieder aufs Neue als Doppelgespann einer Konzeption umfassender Emanzipation jenseits der ausgetretenen Pfade der dominanten linkspolitischen Strömungen betrachtet. In seinem Buch How to Philosophize with a Hammer and Sickle. Nietzsche and Marx for The Twenty-First Century und in zahllosen Youtube-Videos aktualisiert Jonas Čeika diese Sichtweise für unsere Zeit. Henry Holland hat sich für Nietzsche POParts mit der Frage beschäftigt, was von diesem Ansatz zu halten ist.
Jonas Čeika will „die Verhältnisse“ mit einem Mix aus zwei der einflussreichsten Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts „aufheben“, also die Gesellschaft grundlegend transformieren. Einige vergangene Autoren hatten solche Ambitionen. Dennoch hat seit langem kein linkspolitisches Philosophieren so hohe Wellen schlagen lassen. Das erkennt man an der sprachlichen Härte der Gegenschriften. Anfang 2024 konterte etwa Daniel Tutt mit seiner Darlegung How to Read Like a Parasite. Why the Left Got High on Nietzsche, die im selben Verlag, Repeater Books, erschien. Tutts gewöhnungsbedürftige Metapher ruft zu einem Eindringen in Nietzsches „Community“ auf, um dort eine Umdeutungsarbeit auszuführen (vgl. S. 331). Indem er die „Hermeneutik der Unschuld“ (ebd.) aus dem Werkzeugsatz verbannt und den Verdächtigen erneut vernimmt, will Tutt Nietzsches „wahre“ politische Anliegen als Hauptantrieb seines Denkens bloßlegen.
Diese hitzige Entwicklung ist Čeikas verdammt gutem Schreibstil und seinen populären Videos geschuldet, die beide Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bevor ich auf Čeikas Entwurf eingehe, soll zuerst ein Abriss der vorherigen Geschehnisse in der gleichen Debatte folgen.
Als Seth Taylor 1990 Left-Wing Nietzscheans. The Politics of German Expressionism 1910-1920 herausbrachte, war der Streitgegenstand die vorgeworfene Nähe zwischen Nietzsche, den Denkern der „Konservativen Revolution“ und faschistischer Ideologie überhaupt. Taylor kritisierte darin extreme Formen dieser Genealogie, Georg Lukács’ Die Zerstörung der Vernunft (1954) zum Beispiel, welche Nietzsche als geistigen Mitverursacher des Faschismus charakterisierte. Substantieller war Steven Aschheims The Nietzsche Legacy in Germany, 1890-1990 (veröffentlicht 1992), der Lukács’ Angriff auch nicht auswich. Aschheim hielt Lukács’ Verdammung von Nietzsche für eine „antimodernistische“ (S. 42) – was auf die Ignoranz gegenüber dem Zeitgeist in Lukács’ Volten gegen den Expressionismus abhebt. Dennoch lehnen sich jüngere Kritiker wie Daniel Tutt noch stark an Lukács’ Zerstörung an und erheben erneut Anklage. Nietzsche, so diese Kontrahenten, könnte allzu leicht von Rechten zum Vordenker des Faschismus umgeschmiedet werden, und hat auch bewusst den geschichtlichen Vorgänger des Faschismus verteidigt: Eine „bonapartistisch-liberale Herrschaftsordnung“ – so Tutt (S. 34) –, welche „konzipiert“ wurde, um „Aufruhr von unten“, also vor allem von den sozialistischen Bewegungen, „zu maßregeln“ (ebd., S. 42).
In den 2020er Jahren angekommen, treten bei Čeika neue Beweggründe für das aufgeladene Gespräch ans Licht. Das Freiheitsraubende der Lohnarbeit und der Arbeitsteilung wird wieder sichtbarer, die Verpuffung vieler unserer politischen Handlungen auf bürokratisierten Seitengleisen spürbarer. Gleichzeitig wollen wenige sich als „links“ identifizierende Menschen an den Grundkoordinaten ihres kollektiven Denkens und Handelns rütteln. Čeika möchte deshalb den Denker, „der die Kategorien der Moderne als Ganze überwinden will“ (Hammer and Sickle, S. 4) – Karl Marx – neu sprechen lassen. Nietzsche soll „benutzt werden, um den Marxismus auszugraben“ (ebd.), samt seinen ignorierten oder absichtlich verzerrten Elementen. Beim Plädoyer für einen nietzscheanischen Marxismus geht es darum, „das menschliche Element wiederherzustellen – aktive menschliche Wesen, ihre gelebte Erfahrung, und die persönlichsten ihrer Belange“ (ebd.).
Philosophie des Seins gegen Philosophie des Werdens
Überhaupt bietet Čeikas Buch eine informierte und feurige Einführung in die faszinierendsten und folgenschwersten Konzepte und kritischen Gedanken Friedrich Nietzsches: den „Sklavenaufstand“, die Unmöglichkeit einer einzigen, objektiven Wahrheit und die „ewige Wiederkunft“, um nur drei exemplarisch zu nennen. Philosophiegeschichtlich leitet Čeika seine zwei Protagonisten ein, indem er ihre gemeinsame Wurzel in „der langen philosophischen Tradition des Werdens“ (ebd., S. 27) identifiziert, die „mindestens“ (ebd.) auf Heraklit (geb. um 520 v. Chr.) zurückgeht. Diese Tradition zelebriert er als „lebensbejahende“ und stellt sie als antagonistisch zu „der lebensvereinenden Tradition in der Philosophie“ (ebd.) – in diesem Modell: die Philosophie des Seins –, dar. Letztere schließt Platon mit ein, reicht aber „mindestens“ bis zu Heraklits Zeitgenossen Parmenides zurück. Von diesen beiden parallelen Anfängen her fließen beide Strömungen durch die westliche Philosophie wirksam bis heute fort. Dieses schlichte Schema ist plausibel und sicherlich eine willkommene Orientierung für Neuankömmlinge in der Philosophiegeschichte. Solche haben Čeikas Buch bereits zuhauf gelesen, viele davon wurden darauf über seinen gut besuchten Philosophie-Kanal auf Youtube aufmerksam. Aber vor allem die moralische Wertung der zwei Strömungen – Philosophie des Werdens = progressiv, die Gesellschaft verändernd; Philosophie des Seins = boshaft, reaktionär – kann so nicht stehen bleiben. Wo sollte zum Beispiel Carl Schmitt (1888-1985) eingeordnet werden, der die nationalsozialistische Machtergreifung philosophisch untermauerte und den fortschreitenden Umsturz der westlichen Demokratien unterstützte?
Das ändert aber nichts an die Gültigkeit von Čeikas Kritik an der Philosophie des Seins, die er am Beispiel Platons ausführt, und an die Überzeugungskraft von Čeikas Porträt Nietzsches als den Philosophen „der einzigen Welt, die wir wahrhaft kennen – die sich stets verändernde, die wir durch unsere Sinne erfahren“ (ebd., 26). Weg mit Platons „ewiger Welt der [außersinnlichen; HH] Formen“ (ebd., S. 26) als „wahre“ (ebd.) Grundlage der Realität! Aber Čeika meint damit sicherlich nicht, dass große historische Umbrüche, von denen wir mehrheitlich Kenntnisse nur aus Überlieferungen und nicht von unseren Sinnen her haben – China während der sog. „Kulturrevolution“ zum Beispiel – kein Gegenstand einer Philosophie des Werdens sein sollen. Gelegentlich steht die rühmliche Lust des Autors auf affektvolle Formulierungen ihm selbst im Weg. Insgesamt geht er jedoch mit begrifflicher Schärfe vor.
Eng hiermit verbunden, rückt Čeika Nietzsche, mittels seiner Biographie, als Philosoph des (menschlichen) Körpers in den Vordergrund: „Lasst uns uns daran gewöhnen, Philosophen von ihrer Symptomatik her zu lesen: Das Leiden und Kranksein, das Nietzsches ganzen Körper einnahm, zwang ihn dazu, dem Körperlichen unentrinnbar bewusst zu sein.“ (Ebd., 24.) Was Nietzsches unvermeidliche Obsession mit dem eigenen Körper lehrt, ist aber ambivalenter. Einerseits bieten die durch den Körper empfundenen Vergnügungen und auch Schmerzen, aus denen heraus Nietzsche seine Philosophie schreibt, einen für viele nachvollziehbaren Zugang: Von dort aus können Leser seine kniffligeren Konzepten dann individueller, sprich auf für sich bedeutungsvollere Weise begreifen.
Es gibt andererseits Schlüsselereignisse und Prozesse im Körperleben, welche ein Philosoph des Körpers nicht ignorieren kann: Sex und Sexualität stehen hier oben auf der Liste. Wie hat dann aber Nietzsche Sexualität empfunden und reflektiert? Hierzu sagt Čeika wenig, obwohl es Einiges zu berichten gäbe. So sprach sich Nietzsche beispielsweise für Sexualkunde für Frauen vor der Ehe aus, also gegen das übliche Tabuisieren des Themas, um ein Leiden am Sex nach der Eheschließung zu vermindern.2 Neben solchen zu bejahenden Stellen gibt es aber auch diejenigen, die zur Eugenik neigen, und von einem Ekel vor heterosexuellen Sex zeugen. In den Nachgelassenen Fragmenten vom Herbst 1881, Nr. 14[16], will der Autor etwa, dass „[d]ie Erlaubniß, Kinder zu zeugen“ als „eine Auszeichnung verliehen werden“ sollte, um dadurch dem „so üblichen geschlechtlichen Verkehre der Charakter eines Mittels der Fortpflanzung“ zu nehmen.
Trotz der vielen Fragezeichen, die Werk und Leben hervorrufen, stellt Čeika Nietzsches Heterosexualität nicht in Frage und erzählt zugleich, wie Nietzsches Suche nach einem „erfolgreichen Liebesleben“ (57) gescheitert ist – ein unnötiger Euphemismus. Joachim Köhlers Alternativgeschichte – Zarathustras Geheimnis –, die seit 1989 deutschsprachig vorliegt und 2002 in englischer Übersetzung erschien (allerdings stark verkürzt), argumentiert allerdings, dass Nietzsche homosexuell war und auch homosexuelle Erfahrungen mit Sexarbeitern in Italien gesammelt hatte. Selbst wenn Köhlers Verständnis wenig Anklang unter Nietzscheanern weltweit gefunden hat, sagt das wiederum, aus Charles Stones queerer Perspektive gesehen, mehr über diese Gelehrtengattung aus, als darüber, wen und wie Nietzsche sexuell geliebt hat. Stones begründetes Schimpfen auf „die Hysterie des prüden Nietzsche-Establisments“, das „seit Jahrzehnten versucht hat, jegliche Diskussion des Philosophens Männer-Liebe zu ersticken“ – veröffentlicht 2018 in The Gay & Lesbian Review – könnte noch einige Leser dazu bewegen, Köhlers Thesen erneut zu erwägen.
Walter Kaufmanns listige Übersetzungen
Es ist Čeikas Verdienst, wie sich sein Buch intuitiv von einem Thema zum nächsten fortentwickelt: Beinahe ist es ein Schmöker – wir wollen wissen, wie es ausgeht! Seiner Behandlung des umstrittenen „Willens zur Macht“ wird die Frage vorangestellt, wie, nach der großen „Popularität Nietzsches bei den Linken“ (Hammer and Sickle, S. 185) bis in die 1930er Jahre, Nietzsche in einen „Nazi-Held“ (ebd.) umwandelt werden konnte. Čeika skizziert die Rezeptionsgeschichte eher als diese allumfassend zu beschreiben, so dass wir nicht explizit erfahren, wie die rechte Rezeption bereits während des Ersten Weltkrieges begonnen hat. Diesen Rechtsruck stellt Čeika in Beziehung zum Buch Der Wille zur Macht, erschaffen von Nietzsches entsprechend orientierter Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, und nicht von Nietzsche selbst (vgl. ebd., S. 186.) Er weist auch auf Mazzino Montinaris archivarische Forschung hin, welche Montinari zu folgendem Diktum veranlasst hat: „Den Willen zur Macht gibt es Nicht.“ (Ebd., S. 187.)
Diese quellenlose Stelle Čeikas nimmt vermutlich Bezug auf Montinaris „La Volonté de puissance“ n’existe pas (1996): Ein klares Signal, dass Čeika auch nichts von Nietzsches Urheberschaft eines solchen Werkes hält. Dennoch zitiert er im gesamten Buch nicht weniger als sieben Mal aus dem amerikanischen Buch The Will to Power und gibt Nietzsche als Autor und Walter Kaufmann und R. J. Hollingdale als Übersetzer, jedes Mal in den Endnoten, an. Čeika vernebelt die Sache weiter, indem, gegen die gängige wissenschaftliche Praxis, nicht 1968, das Jahr der ersten Ausgabe von Kaufmanns und Hollingdales erfolgreicher Übersetzung, sondern 1901 als Veröffentlichungsjahr angegeben wird: Das Erscheinungsjahr von Förster-Nietzsches ehrgeizigem Werkklau. Und obwohl Čeika gegen Kaufmans Deutung von Nietzsche als „einem im Wesentlichen nicht-politischen Denker“ (Hammer and Sickle, S. 171) spricht, setzt er diese Verzerrung nicht in Verbindung mit Kaufmans übersetzerischer Praxis. Daniel Tutt dagegen geht auf diese ein und findet, dass Kaufmann, „der am meisten gelesene englischsprachige Übersetzer Nietzsches“ (How to Read, S. 31), Nietzsche absichtlich verfälscht hat: „Wörter und Betonungen bezüglich seiner [Nietzsches; HH] Befürwortung des Sklaventums wurden entfernt; sein Hass gegen den Sozialismus und die Arbeiterklasse und seine geistige Umarmung einer Gesellschaft, die auf eine aristokratische Rangordnung fußt, wurden alle abgemildert und heruntergespielt.“ (Ebd., S. 30.) Tutt liefert auch Belege für seine Kritik, mit einem Blick etwa auf Kaufmans Übertragung folgender Stelle aus Ecce homo, Die Geburt der Tragödie, Abs. 4: „Jene neue Partei des Lebens, welche die grösste aller Aufgaben, die Höherzüchtung der Menschheit in die Hände nimmt“. Kaufmann verharmlost diese Passage bewusst, indem er die „Höherzüchtung der Menschheit“ – semantisch starker Tobak –, als das einschläfernde „to raise humanity higher“ (zit. n. Tutt, How to Read, S. 146) wiedergibt.
Die Fülle und er Übermensch
Es kommt einem so vor, als ob Čeika bei einigen verheerenden Stellen in Nietzsches Werk wegschauen will, um seine eigenen Erzählstränge nicht abzuschwächen. Gleichwohl bieten diese Stränge tatsächlich neue Einsichten. So etwa, wenn Čeika aufmerksam auf die Verbindung zwischen Nietzsches Konzepten des „Übermensch“ und der „Fülle“ macht und den Übermenschen als „großzügig aus Fülle“ porträtiert. Er will der hartnäckigen Karikatur von Nietzsches fast bekanntester Figur als einer, der „menschliches Leid egal ist“ (Hammer and Sickle, S. 233), ein Ende setzen. Dabei stützt er sich auf folgende Passage in Jenseits von Gut und Böse, Aph. 260:
Im Vordergrunde [des vornehmen Menschen; HH] steht das Gefühl der Fülle, der Macht, die überströmen will, das Glück der hohen Spannung, das Bewusstsein eines Reichthums, der schenken und abgeben möchte: – auch der vornehme Mensch hilft dem Unglücklichen, aber nicht oder fast nicht aus Mitleid, sondern mehr aus einem Drang, den der Überfluss von Macht erzeugt.
Čeikas Diskussion macht deutlich, dass es sich hier nicht um die Macht handelt, die von bestimmten Staaten der 2020er Jahre, und vorheriger Generationen, verwaltet wird, welche schutzlose Zivilbevölkerungen, ob durch kulturelle Repression, Bombenangriffe oder Hungerpolitik, in Elend sterben und aussterben lassen kann. Wenn Nietzsche vielmehr statt im Deutsch des 19. im Englischen des 21. Jahrhunderts über Macht geschrieben hätte, wäre ihm besser damit gedient gewesen, sich auf den Begriff der „agency“ statt auf denjenigen der „power“ bzw. „Macht“ zu fokussieren. Die Intervention dieses zentralen Gedankens der zeitgenössischen englischsprachigen Philosophie – der sich nur schwerfällig ins Deutsche übersetzen lässt; ‚Handlungsvermögen‘ ist die beste mehrerer unbefriedigender Optionen –, könnte die Debatte um Nietzsches Politik der Macht ganz anders aussehen lassen. Auch nach Čeikas Nietzsche-Verständnis wird Handlungsvermögen von „vornehmen Menschen“ (neuzeitlich: „zu bedeuteten Handlungen fähigen Menschen“) auf die „Unglücklichen“ (neuzeitlich: „in ihren Handlungen stark eingeschränkten Menschen“) übertragen, vor allem aus einem „Überfluss von Agency“ bei den erstgenannten heraus.
Youtube-Community mit Handlungsvermögen
Tutt betrachtet Nietzsches Bemühungen darum, mittels seiner Veröffentlichungen eine globale Community aufzubauen, die mit seiner Philosophie in die Zukunft wirken würde, als unheilvoll – und seine Anhänger vor allem als geprellt von dem sie anführenden Propheten-Philosoph. Jonas Čeika hat über die letzten sechs Jahre hinweg mit großer Resonanz seine Community auf Youtube aufgebaut – ohne erkennbare böse Absichten. Einige seiner älteren Videos, die bereits seit vier Jahren oder länger zur Verfügung stehen, wurden fast eine halbe Million Mal angeklickt, seine Analyse des Spätkapitalismus anhand von „K-Pop“ (koreanischsprachige Popmusik) sogar über eine Million Mal. Die riesige Arbeitsleistung des Schreibens und der Herstellung dieser Bildungsfilme lässt Čeika zum Teil über Abonnenten finanzieren, welche monatlich seine Community unterstützen. Abonnent muss man aber nicht sein, um auf alle Videos zuzugreifen. Sehr hat Čeikas tiefe Begeisterung für Popkultur, vor allem für Filme, ihm dabei geholfen, sein pädagogisch-philosophisches Programm über Youtube zu vermitteln. Parallel zu Čeikas theoretischen Einführungen in den Postmodernismus, in denen Čeika ihn gekonnt gegen Halbwahrheiten der intellektuellen Influencer Jordan Peterson und Stephen Hicks verteidigt, ist zum Beispiel auch eine postmodernistische Kritik des Films bzw. Buches American Psycho zu sehen. Da sich das Ausmaß von Nietzsches anhaltendem Einfluss auf als postmodernistisch verstandene Denker nicht verleugnen lässt – es geht Čeika hier u. a. um Lyotard, Baudrillard, Derrida und Richard Rorty –, schließt sich erstmal der Kreis. Oder tauchen eher alte Kreise in neuen Gewändern wieder auf, um uns mit unserer Beteiligung an der ewigen Wiederkunft neu zu konfrontieren?
Quellen
Aschheim, Steven: The Nietzsche Legacy in Germany, 1890-1990. Berkely 1992.
Čeika, Jonas: How to Philosophize with a Hammer and Sickle. Nietzsche and Marx for The Twenty-First Century. London 2021.
Köhler, Joachim: Zarathustras Geheimnis. Friedrich Nietzsche und seine verschlüsselte Botschaft. Nördlingen 1989.
Lukács, Georg: Die Zerstörung der Vernunft. Berlin 1954.
Montinari, Mazzino: „La Volonté de puissance“ n’existe pas. Übers. v. Patricia Farazzi & Michel Valensi. Paris 1996.
Stone, Charles: The Case of Nietzsche. In: The Gay and Lesbian Review. September/Oktober 2018. Abrufbar unter: https://glreview.org/article/the-case-of-nietzsche/.
Taylor, Seth: Left-Wing Nietzscheans. The Politics of German Expressionism 1910-1920. Berlin 1990.
Tutt, Daniel: How to Read Like a Parasite. Why the Left Got High on Nietzsche. London 2024.
Henry Holland (geb. 1975) ist Literaturübersetzer, aus dem Deutschen ins Englische, und lebt in Hamburg. Darüber hinaus schreibt und forscht er zur Ideen- und Kulturgeschichte und veröffentlichte 2023 zu Ernst Bloch und Rudolf Steiner in German Studies Review. Zusammen mit dem Religionswissenschaftler Aaron French (Universität Erfurt), arbeitet er an einer kritischen, englischsprachigen Steiner-Biographie. Mehr zu Hollands wissenschaftliche Arbeit und Kulturpolitik erfährt man auf seinem Blog, German books, reloaded, oder in Print-Zeitungen. Er ist Mitglied im Hamburger writers’ room: Der Arbeitsraum für literarisch Schreibende in Europa.
Fußnoten
1: Hier wie auch im Folgenden habe ich Zitate aus englischsprachigen Büchern selbst ins Deutsche übersetzt.
2: Vgl. Die fröhliche Wissenschaft, Aph. 71.