Eisvogel-Preis für radikale Essayistik

Der Eisvogel ist ein vom Aussterben bedrohter scheuer Gesell, den man nur selten zu Gesicht bekommt. Seine Nester sind so gut versteckt, dass man lange dachte, er würde sie in Zeiten der Windstille, den „halkyonischen Tagen“ vor und nach der Wintersonnenwende, auf dem Meer treiben lassen. Die antiken Griechen nannten ihn daher „Hal-kyon“, den auf der Salzflut brütenden.

Nietzsche verwendet die von dieser antiken Legende inspirierte Metapher des „Halkyonischen“ oft, um seine eigene Grundhaltung der fröhlichen Weltabgewandtheit zu bezeichnen: eine Stimmung der inneren Ruhe, die aus einer tiefen Weltdistanz erwächst. Diese Gelassenheit und Leichtsinnigkeit soll es ermöglichen, einen neuen, radikalen, Blick auf die Gesellschaft und die ihr zu Grunde liegenden Werte zu richten. Zur Befreiung ist die Entfremdung von sozialen Normen und Pflichten nötig; aus der Sicht des Befreiten erscheinen dieselben verfremdet und sie werden grundlegend auf ihren Sinn, ihren Ursprung, ihre Geltung hin befragt. Alternative Wertsetzungen werden dadurch formulierbar.

Die Halkyonische Assoziation für radikale Philosophie und das Buser World Music Forum wollen mit dem Eisvogel-Preis für radikale Essayistik philosophische Texte auszeichnen, die an diese Haltung der halkyonischen Radikalität anknüpfen und einen originellen philosophischen Beitrag zur Analyse und Kritik der vorherrschenden Werte unserer Gesellschaft leisten wie auch zum Aufzeigen von anderen Möglichkeiten der Wertung. Es sollen Experimente in fröhlicher Wissenschaft sein, jenseits akademischer Schreib- und Denkformen, die zu einem breiten Leserkreis sprechen und nicht nur zu Eingeweihten. Jährlich soll eine Preisfrage gestellt werden, die sich den Schriften Nietzsches selbst entnehmen lässt. Die besten Einsendungen werden auf dem Blog Nietzsche POParts publiziert und erhalten einen Geldpreis.

Eisvogel-Preis für radikale Essayistik 2025

„Wo sind die Barbaren des 21. Jahrhunderts?“

„[W]o sind die Barbaren des 20. Jahrhunderts?“, fragt Nietzsche in einem Nachlassfragment aus dem Jahr 1887 (Nr. 13[31], Link). Anders, als man auf den ersten Blick vermuten würde, meint er diese Frage nicht kritisch – im Gegenteil sehnt er diese „Barbaren“ als „stärkere Art“ geradezu herbei als Gegenkraft zum herrschenden europäischen Nihilismus und sein „kosmopolitisches Affekt- und Intelligenzen-Chaos“. Aus diesem Chaos sollen die „Barbaren“, beseelt vom „Muth zur psychologischen Nacktheit“, zu unbedingter Authentizität, eine neue „Gestaltung“ schaffen: „[E]s werden die Elemente sein, die der größten Härte gegen sich selber fähig sind und den längsten Willen garantiren können…“  

Wir suchen nach Essays, die diese von Nietzsche gestellte Frage bezogen auf unser Jahrhundert beantworten. Dabei soll es nicht um eine unkritische Anknüpfung an Nietzsche gehen, sondern darum, seine Frage als Ausganspunkt für eine eigene Gegenwartsdiagnose zu nehmen: Lässt sich Nietzsches Diagnose des Nihilismus noch auf unsere Zeit anwenden? Und wenn ja: Wo muss dann nach denjenigen Kräften gesucht werden, die diesem Nihilismus etwas entgegensetzen könnten? Oder hat der Nihilismus gesiegt und die Antwort muss „Nirgends“ lauten? Gelte es vielleicht gar, Nietzsches Wertungen umzudrehen: Ist der Nihilismus schlicht die zu verteidigende Zivilisation und die „Barbaren“ mithin die Gefahren, vor denen man sie schützen muss?

Die Halkyonische Assoziation für radikale Philosophie und das Buser World Music Forum suchen nach originellen Einreichungen, die sich durch ihr denkerisches, stilistisches und gesellschaftskritisches Niveau auszeichnen und denen es zugleich gelingt, zu einem breiteren Publikum zu sprechen. Die Essays müssen in deutscher Sprache verfasst sein und dürfen eine Länge von 15.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten. Weder Fußnotenapparat noch Literaturverzeichnis sind erforderlich; in jedem Fall sollten die Nachweise kurz und knapp gehalten werden. Bereits anderweitig publizierte Texte sind nicht zugelassen.

Die Jury wird aus einem Vertreter des BWMF und mehreren Stammautoren des Blogs Nietzsche POParts bestehen. Die drei besten Artikel werden auf diesem Blog publiziert und mit Preisen von 750 Fr. (1. Platz), 500 Fr. (2. Platz) und 250 Fr. (3. Platz) prämiert.

Die Texte sind als PDF- und Word-Datei bis zum 25. August 2025 an eisvogelpreis [at] gmail.com zu senden. Die Datei sollte komplett anonymisiert, die Kontaktdaten des Einsenders in einem separaten Dokument enthalten sein. An diese E-Mail-Adresse können auch gerne Rückfragen gerichtet werden.

Wir behalten uns vor, den Preis bei nicht genügend überzeugenden Einsendungen nicht zu vergeben oder das Preisgeld anders als angegeben aufzuteilen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.